Die Kritik:
„Strange World“, der 61. Animationsfilm aus dem Hause Disney – das nächstes Jahr seinen 100. Geburtstag extra mit neuer Titelanimation feiert – ist im besten Sinne klassisches Abenteuerkino, das mit einer ebenso klassischen Vater-Sohn-Geschichte sowie zeitgemäßer queerer wie diverser Repräsentation und Ökomessage garniert ist. Man spürt, dass die Macher Don Hall („Baymax“, „Vaiana“, Raya und der letzte Drache“) und Qui Nguyen hier jede Menge Liebe für alte Groschenromane sowie klassische Abenteuerfilme wie „Die phantastische Reise“ oder „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ haben einfließen lassen, jedoch macht der Film nicht nur deshalb den Eindruck, dass man ihn irgendwie schon mehrfach gesehen hat. Die Geschichte vom ewig verschollenen Einzelgänger-Vater, der schließlich wieder auf seinen Sohn trifft und im Rahmen eines Abenteuers wieder zu ihm findet, ist eben auch nicht neu. Dennoch: „Strange World“ hat einiges zu bieten, was besonders für sehr viel Begeisterung bei der Hauptzielgruppe sorgen sollte.
Im Mittelpunkt des Films steht Searcher Clade (im Original: Jake Gyllenhaal), der vor 25 Jahren zumindest scheinbar seinen legendären Entdecker-Vater Jaeger Clade (Dennis Quaid) bei einer Expedition verloren hat. Inzwischen ist Searcher selbst Familienvater und seine eigene Legende geworden, denn dank seiner Entdeckung einer Elektrizität spendenden Pflanze hat er sein von Bergen umschlossenes Heimatreich Avalonia in ein strahlendes und wohlhabendes Idyll verwandelt. Doch die Pflanze, die auf riesigen Feldern wächst, droht plötzlich abzusterben, weshalb Searcher mit ehemaligen Kompagnons seines verschollenen Vaters zu einer Mission in den Erdkern aufbricht, wohin die Wurzeln der Pflanze reichen. Ganz anders als erwartet landen Searcher und die Crew um Callisto Mal (Lucy Liu) mit ihrem Fluggerät in einer strahlenden Pastellwelt voller lumineszierender Wesen und Pflanzen, aber eben auch Jaeger, der sich dort all die Jahre aufhielt und zum durchgeknallten Eremiten geworden ist. Ebenfalls im Schlepptau befinden sich neben Searchers Sohn Ethan (Jaboukie Young-White), der sich als blinder Passagier mit auf das Schiff geschmuggelt hat, auch seine Frau Meridian (Gabrielle Union). Gemeinsam muss die Truppe nun herausfinden, warum die energiebringende Pflanze abstirbt, während sowohl Searcher mit seinem eigensinnigen Vater, aber auch mit seinem eigenen etwas entfremdeten Sohn zusammenfinden muss.
Großer Pluspunkt von „Strange World“ ist zweifelsohne seine aufsehenerregende und sehr kreative Gestaltung, die mit zalreichen Reminiszenzen sowohl an das Science-Fiction- als auch an das Abenteuerkino gesäumt ist. Unübersehbar sind Steampunk-Einflüsse (das Flugschiff!), die dem Film einen gleichsam altmodischen wie retrofuturistischen Anstrich geben. Besagtes Schiff inklusive Crew und sogar Lichtsetzung weckt wohl nicht ganz von ungefähr Erinnerungen an die legendäre Nebukadnezar aus „Matrix“, wobei sogar der aufregend inszenierte Flug in den Erdkern deutliche Anleihen an ähnlich gearteten Expeditionen durch das Innenleben der Maschinenwelt in „Matrix“ trägt. Zufall oder Absicht, die grün leuchtenden Knospen der Energiepflanze sehen dann auch noch den ikonischen Giftgas-Kugeln aus „The Rock“ frappierend ähnlich.
Neben der sehr vertrauten wie klassischen Abenteuergeschichte generiert der Film ein kreatives Eigenleben, wenn es um die Gestaltung der reichhaltigen Welt voller glubschiger und bunter Kreaturen wie Pflanzen geht. Hier wirkt „Strange World“ im wahrsten Sinne des Wortes seltsam, sehr lebendig und bietet einiges fürs Auge. Action-Highlights sind dann allerdings nur eher selten (besagter Abstieg in den Erdkern ist stark inszeniert), wodurch es hier nur recht selten mal aufregend wird. Dadurch, dass es dem Film an einem Antagonisten mangelt und er sich ganz und gar auf seine Familiendynamik und eben dem Erforschen der Ursache für das Absterben der Pflanze konzentriert, kommt auch kein echter narrativer Zug auf. Auf der einen Seite ist der Verzicht auf ein Gut-gegen-Böse-Schema durchaus erfrischend (und wird meta-artig sogar im Dialog erwähnt), doch dafür mangelt es dieser Welt leider ein wenig an echten Gefahren, die für Spannung sorgen könnten. Vor allem bleibt der Vater-Sohn-Konflikt aber derart abgedroschen und vorhersehbar, sodass sich hier trotz bester Absichten alles etwas mechanisch und gewollt anfühlt.
„Strange World“ bietet durch das Verwenden zahlreicher erzählerischer Versatzstücke zumindest für erwachsene Zuschauer also kaum Spannung. Gegen Ende wartet der Film dann noch zumindest mit ein paar netten Überraschungen und Wendungen auf, die dem Film einen symbolisch aufgeladenen Öko-Unterbau und damit ein wenig Eigenständigkeit geben. Die Figuren sind allesamt durchaus sympathisch gezeichnet und auch sehr nett gestaltet, an sich betrachtet, funktionieren sie auch. Einigermaßen erfahrene Zuschauer werden sich von diesem durchschaubaren und sehr kalkuliert wirkenden Schauspiel aber nur wenig mitreißen lassen. Dennoch: gestalterisch bietet der Film sehr viel, auch Henry Jackmans sehr präsenter, aber auch sehr guter und im beste Sinne musikalischer Score sorgt dann auch für das richtige Abenteuer-Feeling. Und das ist letztlich genau das, was das jüngere Publikum hier finden wird, auch wenn erwachsene Zuschauer sich wohl mehr an oberflächlichen Reizen erfreuen können.
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Filmwertung
6.5/10
Kurzfassung
Toll gestalteter Film, mit einer zu vorhersehbaren Geschichte.
Fazit:
„Strange World“ ist ein toll gestalteter Film, der sowohl liebevolle Hommage an klassisches Science-Fiction- wie auch Abenteuerkino als auch die Erschaffung einer sehr eigenen und kreativen seltsamen Welt bietet. Auch wenn die Figuren weitestgehend sympathisch gestaltet sind, ist der gut gemeinte Vater-Sohn-Konflikt zu vorhersehbar und durchschaubar umrissen, sodass es hier erzählerisch eher wenig mitreißend zugeht.
von Florian Hoffmann
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